Im Plenum des Europäischen Parlaments haben wir uns zur europäischen Wasserstoffstrategie positioniert.
Die Europäische Kommission hat im vergangenen Jahr die EU-Wasserstoffstrategie vorgestellt. Darauf beziehen wir uns nun in unserem Bericht, der von meinem Europa-SPD-Kollegen Jens Geier im Industrieausschuss verhandelt wurde. Ich habe als sogenannter Schattenberichterstatter im Umweltausschuss daran gearbeitet, das heißt ich habe die Position des Umweltausschusses für unsere Fraktion verhandelt.
Warum Wasserstoff? In kurz: Wasserstoff ist vor allem wichtig für industrielle Anwendungen, die nicht elektrifiziert werden können, und fürs Stromspeichern. Das Szenario für Deutschlands Treibhausgasneutralität 2045 von Agora Energie- und Verkehrswende und Stiftung Klimaneutralität beispielsweise funktioniert nur, da die Hälfte des Stroms aus flexiblen Kraftwerken kommt – z.B. Wasserstoff. In Deutschland brauchen wir davon etwa so viel, wie wir heute mit der Hälfte unserer Gesamt-Stromerzeugung herstellen könnten.
In unserem Parlaments-Wasserstoff-Bericht geht es um den schnellen und massiven Hochlauf von Wasserstoff. Und zwar vor allem von nachhaltigem Wasserstoff aus Elektrolyse, denn nur der hilft uns bei der Klimaneutralität. Einige Punkte, die wir als Parlament hierfür fordern:
- Wir brauchen zunächst vor allem den massiven Ausbau von Erneuerbaren Energien. Dabei ist auch klar: Das müssen zusätzliche Kapazitäten sein, denn sonst verzögern wir den Ausstieg aus der fossilen Stromerzeugung.
- Wir fordern, dass Wasserstoff zunächst dort eingesetzt wird, wo er am nötigsten gebraucht wird: Das ist unter anderem in der Industrie – wir verwerten nämlich heute schon eine beträchtliche Menge Wasserstoff, der allerdings aus fossilem Gas hergestellt wird. Diesen müssen wir dekarbonisieren. Auch die Stahlindustrie braucht große Mengen Wasserstoff als Brenn- und Reduktionsmittel – dort ist der Stoff besonders gut und effizient eingesetzt.
- Wir müssen das Angebot fördern, indem wir beispielsweise Elektrolyseure in großem Maßstab fördern und die Planung für deren Bau erleichtern; aber auch Nachfrage schaffen, um Anreize für die Produktion zu schaffen – beides können wir mit der Richtlinie für Erneuerbare Energien angehen, daher sprechen wir diese in unserem Text an. Außerdem müssen wir die Planungsverfahren beschleunigen, und Abgaben auf erneuerbaren Wasserstoff möglichst geringhalten – die Befreiung von der EEG-Umlage in Deutschland ist hier ein guter Schritt. Wasserstoff aus Erneuerbaren Energien könnte dadurch sogar schon 2030 wettbewerbsfähig werden.
- Neben der Nutzung für Stromspeicher und in der Industrie werden wir Wasserstoff auch im Schiffs- und Flugverkehr brauchen. Hier fordern wir verpflichtende europäische Quoten.
- Der Elefant im Raum ist der sogenannte „low-carbon“-Wasserstoff, auch blauer Wasserstoff genannt – das ist ein etwas beschönigender Ausdruck für Wasserstoff aus fossilem Gas, von dem das CO2 abgeschieden und unter die Erde gepresst wird. Die Kommission geht in ihrer Wasserstoffstrategie davon aus, dass wir davon für den Übergang etwas brauchen – aber nicht, wie viel. Hier fordern wir mehr Klarheit. Wir müssen nämlich verhindern, dass wir uns zu lange an fossile Technologien binden, denn eines ist klar – wenn wir 2045 treibhausgasneutral wirtschaften wollen, geht das nicht mehr. Ich bin generell eher skeptisch, dass wir viel „blauen“ Wasserstoff sehen werden – zumal Bloomberg gerade ausgerechnet hat, dass in ALLEN 28 wichtigen Produktionsländern, die sie untersucht haben, Wasserstoff aus Erneuerbaren schon 2030 günstiger sein wird als „blauer“ Wasserstoff.
- Das sagt auch der Bericht. Fossiler Wasserstoff soll so schnell wie möglich nicht mehr genutzt werden. Und das ist schon ein großer Erfolg unserer Fraktion – da haben sich die konservativen Fraktionen, natürlich auch CDU und CSU – nämlich gegen gesträubt.
- Was bisher sehr gerne vergessen wird: Das wird auch für die Arbeitswelt ein enormer und schneller Übergang von fossilen in nachhaltige Technologien. Wir haben daher in die Parlamentsposition auch die Forderung hineinbekommen, dass Arbeitnehmer*innen sehr stark einbezogen werden müssen und Fortbildungen etc. angeboten bekommen müssen. Gerade Gewerkschaften wie die IG Metall sind es oft, die den Wandel über eigene Transformationspläne entschieden und demokratisch vorantreiben.
Und dann ist da noch die Diskussion um Atomenergie: Ich habe einen Antrag für das Plenum eingebracht, den Kolleg*innen aus fünf Fraktionen unterstützt haben, dass ein Satz eingefügt werden soll: Wasserstoff aus Atomenergie kann nicht als nachhaltig eingestuft werden und sollte keine öffentliche Unterstützung erhalten. Das ist für mich eigentlich eine Selbstverständlichkeit – in meinem Podcast habe ich das ausführlicher erklärt.
Leider sieht das jedoch nicht die Mehrheit im Europäischen Parlament noch nicht so: 286 Abgeordnete waren dafür, 341 dagegen, und 65 haben sich enthalten. Das ärgert mich, denn ich finde, das Europäische Parlament muss sich endlich einmal gegen Atomkraft aussprechen – das Thema ist leider noch immer sehr strittig, weil zwar kaum neue Kraftwerke gebaut werden, aber weiterhin in einigen Ländern welche betrieben werden. Ich werde weiter dagegen kämpfen, die Energie der Zukunft kann nur erneuerbar sein, nicht fossil, nicht strahlend!
55 Abgeordnete mehr haben für die Ablehnung des Antrags gestimmt als für die Annahme. Aus deutscher Sicht pikant: Nicht alle Abgeordnete von CDU und CSU haben dafür gestimmt. Wenn sie geschlossen auf der Linie der deutschen Regierung, der die Union bekannter Weise noch angehört, gestimmt hätten, wäre die Abstimmung beinahe zugunsten echten grünen Wasserstoffs ausgegangen.
Die Abstimmung erkläre ich auch in diesem Video.
Alles relevanten Entwicklungen zu Wasserstoff in der EU habe ich auf dieser Seite zusammengefasst: https://www.tiemo-woelken.de/waskannderstoff/